Die verschlossenen Menschen im Saarland, die glücklichsten in Sachsen

Dezember 09, 2022
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Dezember 09, 2022
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Vestinews.de hat untersucht, welche Stereotypen die Deutschen selbst über ihre Nachbarn in den Bundesländern haben: Wir berichten, wie sich die Meinungen über die Bewohner der verschiedenen Regionen unterscheiden

Über jede Nation gibt es unterschiedliche Stereotypen. Im Ausland werden die Deutschen als pünktliche und ordentliche, gut organisierte Menschen dargestellt. Das Klischee besagt, dass sie gerne mit Vollgas über die Autobahn fahren und in einer Raststätte eine Schweinshaxe mit Sauerkraut bestellen, die sie mit literweise Bier herunterspülen. Aber ist das wirklich so, und sind die Einwohner der verschiedenen Bundesländer wirklich so unterschiedlich?

Leben nach einem Zeitplan
Wenn es um den deutschen Charakter geht, sind die Haupteigenschaften der Deutschen ihre Liebe zu Ordnung und Regeln, ihr Wunsch nach Planung und ein hohes Maß an Verantwortung. Eine vor einigen Jahren durchgeführte Umfrage des Sprach- und Digitaldienstleisters TranslateMedia hat ergeben, dass die Deutschen sehr stolz auf ihre Pünktlichkeit sind. In einer von TranslateMedia durchgeführten Umfrage waren 37 Prozent der Deutschen sehr stolz auf ihre Pünktlichkeit. Die Uhr diktiert den Lebensrhythmus in Deutschland auf die Minute genau: Die Busse fahren zum Beispiel um 14.13 Uhr oder 17.18 Uhr. Wenn die Uhr 14:15 oder 17:20 Uhr schlägt und der Bus noch nicht abgefahren ist, werden die Leute an der Haltestelle nervös.
Die Deutschen nutzen die Zeit voll aus. In Deutschland ist es beliebt, bei Tagesanbruch aufzustehen. Das Land Sachsen-Anhalt wirbt sogar mit dem Slogan „Wir stehen früh auf“. Die meisten großen Supermärkte öffnen um 6.30 oder 7 Uhr, und 8 Uhr ist bereits spät am Morgen, wenn die meisten Deutschen noch mit ihren Hausarbeiten beschäftigt sind, anstatt sich im Bett zusammenzurollen.
Ebenfalls auf der Prioritätenliste der TranslateMedia-Umfrage standen Umweltbewusstsein, Perfektionismus, Geradlinigkeit, Liebe zu Regeln und Organisation sowie Dickköpfigkeit. Bei den Bundesländern gab es nur eine Ausnahme: Die Saarländer gaben an, dass sie stolzer auf ihre Heimlichkeit seien. Im Übrigen war Pünktlichkeit das Merkmal, das einen „echten Deutschen“ ausmachte.
Außerdem werden die Deutschen insgesamt selten als Individualisten gesehen. Es ist eine der kooperationsfreudigsten Nationen in Europa. In Deutschland gibt es mehr als 580.000 eingetragene Hobbyvereine. Man trifft sich, um gemeinsam zu musizieren, sich bei der Feuerwehr zu engagieren oder gemeinsam Sport zu treiben. Ein Viertel der Clubs ist verschiedenen Sportarten gewidmet.

Nord-Süd, Ost-West: Wie sich die Deutschen unterscheiden
Aber so wie nicht jeder Australier ein Surfbrett unter seinem Bett hat, gibt es auch keinen deutschen Typ. Es gibt sogar einen Witz unter den Berlinern, dass es mindestens zehn verschiedene „typische Deutsche“ in der Hauptstadt gibt. Allerdings gibt es einige regionale Unterschiede. Die Süddeutschen sind geselliger und genießen gesellschaftliche Veranstaltungen, die Ostdeutschen sind sparsamer, die Norddeutschen sind pedantisch und die Westdeutschen sind offen für neue Bekanntschaften, Erlebnisse und Reisen. Das ist zumindest die landläufige Meinung, die auf Stereotypen beruht.
Als Stereotypen bezeichnen Wissenschaftler spezifische Eigenschaften, die einem Objekt, einem Phänomen oder einer Gruppe von Menschen zugeschrieben werden, die in der Regel emotional gefärbt und von Dauer sind. Sie entstehen nicht aus dem Nichts, regionale Unterschiede sind durchaus spürbar. Das zeigt sich in Dialekten, Essgewohnheiten, Traditionen und Temperament. Ein Rheinländer ist geselliger (vielleicht beeinflusst durch die Nähe zu Frankreich), ein Berliner ist Fremden gegenüber strenger, ein Hamburger ist zurückhaltender.
Wenn ein Bayer nach Norddeutschland reist, muss er sich auf unterschiedliche Haltungen einstellen, die oft schon in kleinen Gruppen in der gleichen Gesellschaft zu beobachten sind. Wie der Geschäftsführer einer Werbeagentur, Alexander Mackat, in seinem Buch über kulturelle Unterschiede in der Geschäftsetikette innerhalb Deutschlands schreibt, gibt es Mentalitätsunterschiede zwischen Bayern und Schleswig-Holsteinern. „Allerdings sind die Unterschiede zwischen Süd und Nord geringer als zwischen Ost und West. 25 Jahre nach der Wiedervereinigung hat sich viel verändert. Kulturelle Unterschiede im Arbeitsalltag gibt es aber immer noch“, sagt Mackat. In Norddeutschland zum Beispiel ist es selbst unter Neuankömmlingen üblich, mit Kollegen ein Bier zu trinken. Im Süden hingegen kann es einige Zeit, vielleicht sogar eine ganze Weile dauern, bis die Kollegen beschließen, einen informellen Abend miteinander zu verbringen.
Aber Vorsicht, wenn die Bewohner Südbayerns Sie als Freund gewinnen, reicht ein geselliger Abend nicht aus. Weit über die Grenzen Deutschlands hinaus sind die Bayern für ihre Liebe zu gemeinsamen Festen bekannt. Bier ist hier ein Grundnahrungsmittel. Mit einem jährlichen Pro-Kopf-Verbrauch von rund 215 Litern (für die über 16-Jährigen) liegt Bayern an der Spitze der deutschen Bierkonsum Skala. Bayerisches Bier wird immer noch nach dem bayerischen Reinheitsgebot von 1516 gebraut, und wenn man jeden Tag ein neues bayerisches Bier probiert, hält es 11 Jahre lang. Nicht umsonst findet hier das weltberühmte Oktoberfest statt. Dort werden tonnenweise Bier verschüttet, Tausende der berühmten Weißwürste gegessen, Lieder gesungen und neue Witze erfunden. Inoffiziell verläuft sogar die Grenze zwischen Bayern und dem Rest Deutschlands entlang der Region, in der die lokalen Würste vertrieben werden, und es gibt die Vorstellung, vor oder hinter dem „Weißwurstäquator“ zu leben.

Wer ist am glücklichsten?
Aber die Bayern sind nicht das glücklichste Volk in Deutschland, wie diese Beschreibung vermuten lässt. Vielleicht ist es der ständige Alpenwind, der sie daran hindert, das Leben unbeschwert zu genießen, ein Föhn, der ständig den Druck verändert und Migräne verursacht. Einige Studien haben gezeigt, dass die glücklichsten Menschen in Norddeutschland leben. Und das hat nichts mit der wirtschaftlichen Situation zu tun, denn Schleswig-Holstein und Niedersachsen gehören zu den eher ärmeren Bundesländern. Es ist seit langem erwiesen, dass es den südlichen Teilen Deutschlands wirtschaftlich besser geht als den nördlichen Regionen. Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gibt es nur wenige andere westliche Länder, in denen die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Regionen so groß sind wie in Deutschland. Nach Angaben der Organisation sind die Investitionen in soziale Einrichtungen im Süden siebenmal höher als im Norden.
Die Forscher erklären diese Diskrepanz mit der norddeutschen Mentalität. Diese Gelassenheit verdanken sie wahrscheinlich den Skandinaviern, die trotz ihres großen Reichtums einen minimalistischen Lebensstil pflegen. Oder vielleicht ist es der Einfluss des in der Region weit verbreiteten Protestantismus.
Der heitere Blick auf die Welt wird immer trüber, je weiter man nach Nordosten kommt. Im Allgemeinen ist dies eine der malerischsten Regionen in Deutschland. Viele verbringen hier ihren Jahresurlaub und genießen die beeindruckende Architektur der Seebäder. Die Hansestädte zeugen noch heute vom Wohlstand der Vergangenheit durch den Seehandel.
Heute hat es den höchsten Prozentsatz an Atheisten in Deutschland – ein Einfluss der Jahre, als das Gebiet ein kommunistischer Staat war. Laut der Volkszählung sind viele von ihnen junge, arbeitslose Männer mit schlechter Ausbildung. Sie können keine Partner finden, weil der Anteil der Frauen in einigen Regionen niedriger ist als oberhalb des Polarkreises. „Die Menschen hier sind bescheiden und können sich bei einem Vorstellungsgespräch nicht von ihrer besten Seite zeigen“, schreibt Alexander Mackat.

Anastasija Rjabokon

Journalist, Redakteur-Analyst Seit 2005 arbeitet sie in verschiedenen ukrainischen Tages- und Analysepublikationen. Sie bereitet Artikel zu politischen und gesellschaftlich bedeutsamen Themen vor. Schon seit der Schule wusste sie, dass sie Journalistin wird und Schulaufsätze wuchsen allmählich zu urheberrechtlich geschütztem Material.

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