Deutschland hat ein Maßnahmenpaket im Wert von 65 milliarden euro zur Eindämmung der Strompreise angekündigt

September 05, 2022
15:05
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September 05, 2022
15:05

Die Ampelkoalition hat neue Entlastungen verkündet. Rentner, Studierende und Auszubildende erhalten Einmalzahlungen, Wohngeldberechtigte Heizkostenzuschüsse. Bundeskanzler Scholz kündigte zudem eine Strompreis-Bremse an, informiert BR24.

Die Spitzen der Ampel-Koalition haben sich auf ein drittes Entlastungspaket mit einem Gesamtvolumen von 65 Milliarden Euro geeinigt. Die anvisierten Maßnahmen „entlasten alle Haushalte – auch Rentnerinnen und Rentner, Studierende, Fachschülerinnen und Fachschüler sowie Auszubildende“, heißt es in einem Beschlusspapier. Auf einer Pressekonferenz in Berlin verkündeten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Parteivorsitzenden Saskia Esken (SPD), Omid Nouripour und Christian Lindner (FDP) die Eckpunkte des dritten Entlastungspaketes.

Scholz, Lindner und Nouripour um Zusammenhalt bemüht

Es gehe um sehr viel Geld, aber die Ausgaben seien notwendig, sagte Scholz. Zum Ziel der Entlastungen sagte er: „Es geht darum, unser Land sicher durch diese Krise zu führen.“ Viele Menschen machten sich derzeit Sorgen. „Wir nehmen alle diese Sorgen sehr, sehr ernst.“ Erneut betonte der Kanzler: „You’ll never walk alone, wir werden niemanden alleine lassen.“ Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner sagte, mit dem Entlastungspaket solle Schaden von Deutschland abgewendet werden. Es sei ein „wuchtiges Paket“, über das gut 22 Stunden verhandelt worden sei. Grünen-Co-Chef Omid Nouripour sprach von einem runden Entlastungspaket, auch wenn die Verhandlungen teilweise aufreibend gewesen seien. „Wir werden uns nicht spalten lassen“, sagte er mit Blick auf Russland, das die Energielieferungen deutlich eingeschränkt hat.

Einmalzahlungen für Rentner, Studierende und Auszubildende

Rentnerinnen und Rentner erhalten zum 1. Dezember 2022 eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro. Das entspricht einer Entlastung von rund sechs Milliarden Euro brutto. Die Energiepreispauschale wird einmalig ausgezahlt und ist einkommensteuerpflichtig. „Je niedrigerer die Rente, umso wirksamer ist die absolute Entlastung der Rentnerinnen und Rentner“, heißt es in dem Beschlusspapier. Die Auszahlung für die Rentnerinnen und Rentner erfolge über die Deutsche Rentenversicherung. „Es wird sichergestellt, dass keine Doppelzahlung erfolgt. Der Bund wird eine entsprechende Einmalzahlung auch für die Versorgungsempfängerinnen und -empfänger des Bundes leisten.“

Studierende und Auszubildende erhalten eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro. Der Bund trägt die Kosten und will mit den Ländern beraten, wie die Auszahlung schnell und unbürokratisch vor Ort erfolgen kann.

Wohngeldberechtigte erhalten Heizkostenzuschuss von 415 Euro

Zum 1. Januar 2023 soll zudem das Wohngeld reformiert werden. Es soll eine dauerhafte Klimakomponente und eine dauerhafte Heizkostenkomponente enthalten, um die steigenden Energiepreise stärker abzufedern. Der Kreis der Wohngeldberechtigten soll auf zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger erweitert werden.

Darüber hinaus soll als kurzfristige Maßnahme für die Heizperiode September 2022 bis Dezember 2022 einmalig ein Heizkostenzuschuss an die Bezieherinnen und Bezieher von Wohngeld gezahlt werden – danach soll er für die Wohngeldberechtigten dauerhaft in das Wohngeld integriert werden. Er beträgt einmalig 415 Euro für einen 1-Personen-Haushalt und 540 Euro für zwei Personen; für jede weitere Person zusätzliche 100 Euro.

Mehr Kindergeld – höhere Regelsätze für Bedürftige

Mit der geplanten Einführung des Bürgergelds Anfang kommenden Jahres wollen SPD, Grüne und FDP die Regelsätze für Bedürftige auf rund 500 Euro erhöhen. Derzeit erhalten Alleinstehende in der Grundsicherung 449 Euro pro Monat. Auch das Kindergeld soll steigen. Es soll zum Jahresbeginn um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind steigen.

Ziel der neuen Entlastungen sei es, „die erwarteten hohen Preissteigerungen für die Bürgerinnen und Bürger und die Unternehmen im Bereich des Energieverbrauchs“ abzufedern, heißt es in dem Beschlusspapier. „Das stützt auch die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt, weil Bürgerinnen und Bürger weiter konsumieren und Unternehmen weiter investieren“.

Im Rahmen der „konzertierten Aktion“ diskutiert die Bundesregierung laut Scholz mit Arbeitgebern und Gewerkschaften, wie mit den gestiegenen Preisen und den damit einhergehenden realen Einkommensverlusten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer umgegangen werden kann. Dazu sei der Bund bereit, bei zusätzlichen Zahlungen der Unternehmen an ihre Beschäftigten einen Betrag von bis zu 3.000 Euro von der Steuer und den Sozialversicherungsabgaben zu befreien.

Strompreis-Bremse und Übergewinn-Abschöpfung

Die Koalition hat sich nach Angaben von Kanzler Scholz „fest vorgenommen“, sogenannte Übergewinne etwa bei Energiekonzernen zu besteuern. Man werde diese nun „Zufallsgewinne“ genannten Profite entweder auf europäischer Ebene oder aber auf nationaler Ebene abschöpfen, sagte Scholz. Die Regierung wolle dafür sorgen, dass die Preise von Gas, Öl und Kohle für Verbraucher sinken. Dafür werde man auch Einnahmen etwa aus einer Übergewinn-Abschöpfung einsetzen. „Wir haben uns deshalb fest vorgenommen, dass wir die Marktordnung so ändern, dass diese Zufallsgewinne nicht mehr anfallen oder dass sie abgeschöpft werden“, sagte Scholz.

Für einen gewissen Basisverbrauch an Strom soll nach dem Willen der Ampel-Koalition künftig ein vergünstigter Preis gelten. Für einen zusätzlichen Verbrauch darüber hinaus wäre der Preis nicht begrenzt. „Das wird eine große und dramatische Entlastung sein auf dem Strommarkt“, so Scholz weiter.

Sollten die in Europa derzeit diskutierten Maßnahmen im Strommarkt nicht zeitnah verabredet und umgesetzt werden können, wird die Bundesregierung diese Anpassungen im Strommarktdesign zur Entlastung der Verbraucherinnen und Verbraucher selbst umsetzen, heißt es im Beschlusspapier. Scholz zeigte sich überzeugt, dass die Einführung auf europäischer Ebene „schnell“ gelingen werde. In Europa gebe es aber ein hohes Interesse, dies gemeinsam zu tun. Er glaube deshalb nicht, dass sich die Umsetzung auf EU-Ebene „über Wochen und Monate“ hinziehen werde.

Bundesregierung spielt 9-Euro-Ticket-Nachfolge an Länder zurück

Der Bund will sich dem Beschlusspapier zufolge zudem mit 1,5 Milliarden Euro im Jahr an einem Nachfolger-Modell für das populäre Neun-Euro-Ticket beteiligen. Voraussetzung sei, dass „die Länder mindestens den gleichen Betrag zur Verfügung stellen“, heißt es in dem Papier. Als Preiskorridor nennt das Papier 49 bis 69 Euro pro Monat. Grünen-Chef Nouripour sagte, er hoffe, dass man bei 49 Euro landen werde.

Homeoffice-Pauschale wird entfristet

Die bis Ende 2022 bereits verlängerte Home-Office Pauschale wird laut dem Beschlusspapier „entfristet und verbessert“. Pro Homeoffice-Tag soll ein Werbungskostenabzug bei der Einkommensteuer von fünf Euro und maximal 600 Euro pro Jahr möglich. Mit der „Modernisierung der bisherigen Regelungen“ zum häuslichen Arbeitszimmer sollen gerade auch Familien mit kleineren Wohnungen, die nicht über ein separates Arbeitszimmer verfügen, entlastet werden.

Keine weitere Aussetzung der Schuldenbremse vorgesehen

Das vereinbarte dritte Entlastungspaket ist nach Angaben von Finanzminister Lindner ohne eine weitere Aussetzung der Schuldenbremse finanzierbar. „Diese Maßnahmen finden statt innerhalb der bisherigen Haushaltsplanungen der Bundesregierung“, sagte der FDP-Chef bei der Vorstellung der Ergebnisse. Die Schuldenbremse setzt der Neuverschuldung des Bundes enge Grenzen.

Möglich sei dies unter anderem durch Vorsorge, die schon im Haushalt getroffen worden sei, sagte Lindner. Auch kämen an anderer Stelle Einnahmen hinzu. Die 65 Milliarden Euro vom Bund für das dritte Entlastungspaket stellten eine konservative Schätzung dar. Es handle sich um ein Paket, das Solidarität mit Leistungsgerechtigkeit und Solidität verbinde.
Verhandlungen bis in den frühen Sonntagmorgen

Die ganze Nacht bis zum frühen Sonntagmorgen war im Kanzleramt über das

Entlastungspaket verhandelt worden. Es ist bereits das dritte Maßnahmenpaket, mit dem die drastischen Preissteigerungen – vor allem im Energiebereich – im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ausgeglichen werden sollen. An den Verhandlungen hatten neben Scholz, Finanzminister Lindner und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) mehrere weitere Minister sowie die Spitzen der drei Bundestagsfraktionen und Parteien teilgenommen.

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