Wer bezahlt Unipers Milliarden-Rettung?

September 22, 2022
08:15
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September 22, 2022
08:15

Deutschland wird bald Eigentümer eines riesigen Energiekonzerns. Doch die Hilfsaktion für Uniper wird teuer. Wie viel am Ende bei den Steuerzahlern hängen bleiben könnte – und wen es sonst noch trifft, das wird im Artikel erwähnt Spiegel.de.

Es ist eine der teuersten Rettungsaktionen, die die Bundesrepublik je erlebt hat: Für gut acht Milliarden Euro will der Staat den kriselnden Gasimporteur Uniper aus Düsseldorf fast vollständig übernehmen, darauf haben sich der Bund und das Unternehmen nun geeinigt. Dabei hatte der Staat Uniper schon in den vergangenen Monaten viele Milliarden Euro geliehen – und das dürfte noch wochenlang so weitergehen. Denn bis alle Behörden und eine außerordentliche Hauptversammlung der geplanten Verstaatlichung zugestimmt haben, werden noch Monate vergehen.

Doch wen rettet der Bund da eigentlich und mit wie viel Geld? Welchen Noch-Aktionären entsteht nun welcher Schaden? Und wie soll es weitergehen mit Uniper?

Die Milliarden des Bundes

Der Bund will Uniper in mehreren Schritten retten. An diesem Mittwoch gaben der Staat und das Unternehmen bekannt, dass Uniper sehr viele neue Aktien ausgeben will, die allesamt der Bund zeichnen soll. Allein dafür will der Staat acht Milliarden Euro ausgeben. Zudem will er sämtliche Uniper-Aktien des bisherigen Mehrheitseigentümers Fortum aus Finnland übernehmen, was rund 500 Millionen Euro kosten würde. Gelingt das, würde Uniper dem Bund danach zu knapp 99 Prozent gehören.

Doch damit ist es nicht getan. Schon in den vergangenen Monaten hatte die staatliche Förderbank KfW Uniper Kreditlinien in Höhe von 13 Milliarden Euro gewährt, die der Konzern weitestgehend abgerufen hat. Das Geld brauchte Uniper vor allem aus zwei Gründen:

Bereits seit Ende 2021 waren die Gaspreise in Europa merklich gestiegen. Uniper muss seither deutlich mehr Geld als Sicherheit hinterlegen, wenn die Firma Gas im Voraus einkauft.

Von Juni 2022 an lieferte Russland zudem deutlich weniger Gas an Importeure wie Uniper als vertraglich vereinbart, seit Anfang September kommt gar kein russisches Gas mehr hierzulande an. Der Uniper-Konzern muss daher auf dem Großhandelsmarkt nachkaufen, damit er wiederum seine Lieferverpflichtungen gegenüber Stadtwerken und Industriebetrieben erfüllen kann. Ohne diese Lieferungen würden große Teile der Energieversorgung zusammenbrechen. Doch die Großhandelspreise haben sich vervielfacht. So verliert Uniper Tag für Tag Geld in einer Größenordnung von 100 Millionen Euro – zwischenzeitlich sollen es laut Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach sogar über 200 Millionen Euro gewesen sein.

Eigentlich soll die sogenannte Gasumlage dieses Problem lösen: Alle Gasverbraucher in Deutschland sollen von Oktober an gut 2,4 Cent mehr je Kilowattstunde Gas bezahlen. Dies soll die zusätzlichen Beschaffungskosten von Importeuren wie Uniper auf möglichst viele Schultern verteilen. Doch Unternehmen wie Uniper werden die ersten Abschlagszahlungen nicht vor Ende Oktober erhalten. Und im Falle einer Verstaatlichung bestehen erhebliche rechtliche Zweifel , ob man der Allgemeinheit der Gasverbraucher die Mehrbeschaffungskosten einer dann bundeseigenen Firma aufdrücken darf.

Das führt dazu, dass die KfW Uniper zumindest in den kommenden Wochen weiteres Geld zur Verfügung stellen muss. »Dies zieht einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf von mehreren Milliarden Euro nach sich«, sagte Uniper-Chef Maubach am Mittwoch. Die genaue Höhe hängt vor allem davon ab, wie sich die Gaspreise auf dem Großhandelsmarkt in den kommenden Wochen entwickeln werden.

In der Bundesregierung erhofft man sich, als Eigentümer von Uniper deutlich bessere Konditionen und langfristige Erdgas-Lieferverträge abschließen zu können. Die höhere Kreditwürdigkeit des Staates könnte auch dazu beitragen, dass Banken derlei Deals mit deutlich geringeren Zinsen besichern werden.
Nach der geplanten Übernahme wird der Bund allerdings überlegen müssen, welche Geschäfte künftig noch zu Uniper gehören sollen – und welche womöglich nicht mehr. So ist Uniper nicht nur Deutschlands größter Gasimporteur, der Konzern betreibt beispielsweise auch Gaskraftwerke in Russland, Kohlemeiler in Deutschland sowie Wasserkraftwerke und Atommeiler in Schweden. Grundsätzlich könnte Uniper versuchen, mit dem Verkauf einzelner Geschäftsteile einen Teil der vielen Milliarden wieder reinzuholen.

Der bisherige Mehrheitsaktionär Fortum aus Finnland hat bereits ausgehandelt, dass er ein erstes Angebot abgeben dürfte, falls Uniper vor Ende 2026 das Geschäft in Schweden zum Verkauf stellen sollte. Uniper hält an allen drei aktiven schwedischen Atomkraftwerken in Forsmark, Oskarshamn und Ringhals Anteile – und betreibt zusammen mit Partnern Dutzende Wasserkraftwerke in dem skandinavischen Land. Das würde grundsätzlich gut zum Kerngeschäft von Fortum in Nordeuropa passen.

Allerdings ist fraglich, ob Fortum sich einen Rückkauf ausgewählter Uniper-Teile überhaupt leisten könnte. Erst vor Kurzem musste die finnische Regierung dem Konzern mit Hilfskrediten zur Seite springen.

Wenn alle nötigen Stellen die Verstaatlichung von Uniper billigen, »dann wird man sich die einzelnen Geschäftsfelder im Einzelnen sehr genau anschauen«, kündigte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch an. Allerdings gilt etwa das Russlandgeschäft von Uniper angesichts des Kriegs und der internationalen Sanktionen als schwer verkäuflich.

Der Schaden der Finnen

Noch gehört Uniper zu fast 78 Prozent dem Fortum-Konzern. Die Finnen waren im Jahr 2018 bei Uniper eingestiegen und hatten ihre Beteiligung danach Stück für Stück aufgestockt. Insgesamt habe Fortum etwa acht Milliarden Euro Eigenkapital in Uniper investiert, rechnete Habeck vor. Davon wird nun nicht mehr viel übrig bleiben: Der Bund will dafür ja nur knapp 500 Millionen Euro zahlen. Fortum hatte einst für den Einstieg in Uniper 3,8 Milliarden Euro an den früheren Mutterkonzern E.on gezahlt, weitere 2,6 Milliarden Euro an zwei Finanzinvestoren sowie über die Börse weitere Anteile erworben. Unter dem Strich, heißt es im Uniper-Umfeld, habe Fortum knapp sieben Milliarden Euro mit dem Investment verloren.

In Finnland ist das Entsetzen groß, auch weil Fortums große Expansionspläne in Nordeuropa mit der Aufgabe von Uniper in Trümmern liegen.

Die Idee einer Integration von Uniper sei »nicht mehr lebensfähig«, konstatierte Fortum-Chef Markus Rauramo am Mittwoch. Mit Russlands Invasion der Ukraine habe sich die Rolle von Gas in Europa unwiderruflich verändert – und damit auch die Aussichten für ein Geschäftsmodell, das stark auf Gas basiert. »Im Nachhinein haben sich einige unserer strategischen Entscheidungen als Belastung herausgestellt«, sagte Rauramo. Uniper wieder abzugeben, sei schmerzhaft. Fortum werde sich fortan wieder auf das Kerngeschäft in Skandinavien konzentrieren. Der Aktienkurs des Unternehmens, das zur Hälfte dem finnischen Staat gehört, hat sich in diesem Jahr in etwa halbiert.

Neben der Eigenkapital-Investition hatte Fortum der Tochter Uniper von Ende 2021 an ebenfalls Geld zur Verfügung gestellt, als die Gaspreise auf dem Großhandelsmarkt in Europa erstmals durch die Decke gingen: ein Darlehen in Höhe von vier Milliarden Euro sowie Garantien über weitere vier Milliarden Euro. Diese Kredite und Garantien will der Bund ebenfalls übernehmen, sobald ihm Uniper mehrheitlich gehört. Die Börse nahm Fortums Ausstieg am Mittwoch positiv auf: Der Aktienkurs stieg bis zum Mittag deutlich an.

Die Leiden der restlichen Aktionäre

Abseits von Fortum gehört Uniper bislang zu knapp 16 Prozent großen institutionellen Investoren und zu gut sechs Prozent privaten Anlegern. Ihre Anteile dürften künftig nahezu bedeutungslos werden. An der Börse brach die Uniper-Aktie am Mittwoch zeitweise um mehr als 35 Prozent ein.

Es ist der bisherige Tiefpunkt einer sehr wechselvollen Geschichte: Uniper war erst vor sechs Jahren an die Börse gegangen, als der E.on-Konzern sein Kraftwerks- und Handelsgeschäft in das neue Unternehmen auslagerte. Von ursprünglich zehn Euro je Aktie stieg der Kurs noch Anfang dieses Jahres auf gut 42 Euro. Am Mittwoch nun war der Anteilsschein kaum noch drei Euro wert. Einziger Trost für Aktionäre: Uniper hat ihnen all die Jahre recht fleißig Dividenden ausgeschüttet.

Wie es jetzt weitergeht

Zustimmen muss der Verstaatlichung noch die EU-Kommission. Juristen erwarten, dass die Wettbewerbshüter den Staatseinstieg zwar durchwinken werden, aber als Ausgleich für die staatliche Beihilfe den Verkauf bestimmter Vermögenswerte jenseits des Gasgeschäfts verlangen, etwa der Atom- und Kohlekraftwerke. Bundeswirtschaftsminister Habeck dürfte das nur recht sein. Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums waren am Dienstag bei der EU-Kommission und haben neben der Gasumlage auch über die Verstaatlichung von Uniper gesprochen. Die Kommission, so heißt es aus Regierungskreisen, habe ihre Zustimmung signalisiert. Es könnten allerdings noch, wie erwartet, Auflagen kommen, die der Bund dann berücksichtigen müsste.

Profitieren könnten von der Milliardenorgie am Ende auch einige Hedgefonds: Der Aktienkurs von Uniper lag am Mittwoch nach dem Bekanntwerden des Preises von 1,70 Euro, den der Bund für die neuen Aktien bezahlen will, rund einen Euro höher. Abgezockte Investoren spekulieren offenbar darauf, dass der Staat am Ende bereit sein könnte, noch eine Schippe draufzulegen, um die restlichen Aktionäre aus dem Unternehmen herauszukaufen.

Aber zunächst will die Bundesregierung ihren Einstieg bei Uniper bis Ende dieses Jahres abschließen.

Quellen: Spiegel.de

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