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Deutschland steht vor dem größten Wirtschaftsabschwung seit dem Zweiten Weltkrieg. Händler und Handwerker gehen wegen der hohen Energiepreise in die Pleite. Die größten Hersteller stehen kurz davor, ihre Produktion einzustellen. Hier ein Blick darauf, wer am meisten von der Energiekrise bedroht ist.
REKORDRÜCKGANG IN DER WIRTSCHAFT
Nach Ansicht des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) steht Deutschland nach dem Winter, vor allem wenn er kalt ist, ein starker Konjunktureinbruch und die tiefste und längste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg bevor. Die Analysten des Instituts gehen davon aus, dass die deutsche Produktion bis 2023 um 7,9 Prozent sinken wird. Und im Winterquartal wird der BIP-Rückgang 14 Prozent erreichen. Die Krise wird nicht nur tief, sondern auch lang anhaltend sein. Denn im kommenden Jahr 2024 wird die Wirtschaft erneut um beachtliche 4,2 Prozent schrumpfen, im ersten Quartal 2024 sogar um 15 Prozent.
Die Forscher machen drei Ursachen für die Rezession aus: Explosion der Energiepreise, Abkühlung der Weltwirtschaft und sinkende Kaufkraft aufgrund der hohen Inflation. An erster Stelle steht der Stopp der russischen Energielieferungen, einschließlich Gas, nach Deutschland am 1. September.
Deutschland erhält derzeit Gas über Pipelines aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien. Die Lieferungen aus Frankreich werden im Oktober erwartet. Drei Terminals zur Aufnahme von verflüssigtem Erdgas in der Nord- und Ostsee werden in Betrieb genommen. Das ist nicht genug – Deutschland hat nicht genug Gas, es ist teuer und muss sparen. Einige Unternehmen spüren die Wirtschaftskrise bereits in ihren vierteljährlichen und monatlichen Bilanzen.
Sébastien Düllien, geschäftsführender Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung, erklärt in einfachen Worten, was eine Krise bedeutet: „In einer Rezession schrumpft die Wirtschaft, die Einkommen sinken und die Arbeitslosigkeit steigt. Dieser Prozess ist selbstverstärkend, weil die Arbeitslosen weniger zu kaufen haben, was wiederum dazu führt, dass andere Menschen Einkommen und Arbeitsplätze verlieren.
ERSTE PLEITEN
Laut Jens Südekum, Professor für internationale Wirtschaft am Düsseldorfer Institut für Wettbewerbsökonomie (DICE), waren die Unternehmen bisher nicht allzu sehr von der hohen Verbrauchernachfrage betroffen, da sie ihre gestiegenen Energiekosten in vielen Bereichen an die Kunden weitergeben konnten. In der Gastronomie, zum Beispiel. „Jetzt wird sich die private Nachfrage abkühlen, weil Strom und Gas immer teurer werden und das langsam jeder merkt. Die Unternehmen werden nicht mehr in der Lage sein, die Preise zu erhöhen und damit die Kosten auszugleichen“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler.
Der Konsum in Deutschland ist rückläufig. Die Konjunkturanalyse des Nürnberger Marktforschungsinstituts GfK zeigt, dass die explodierenden Energiepreise und die Inflation die deutschen Verbraucher vom Kauf abhalten. Die Zahlen zeigen, dass sich die Verbraucherkapazität auf einem Rekordtief seit 1991 befindet, als mit der Überwachung dieser Daten grundsätzlich begonnen wurde.
Die Handelsbranche wird also als erste darunter leiden. Die Zentralvereinigung des Handwerks sagt voraus, dass eine Welle von Konkursanmeldungen bevorsteht. Im September meldeten mehrere Traditionsunternehmen Insolvenz an. Der Toilettenpapierhersteller Hakle, der zuletzt über 200 Mitarbeiter beschäftigte, und der Schuhverkäufer Görtz, der fast 2.500 Mitarbeiter beschäftigte, mussten Konkurs anmelden. Auch der Autozulieferer Schneider aus Kronach in Oberfranken hat Insolvenz angemeldet. 2.000 Beschäftigte seien davon betroffen, hieß es.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habek rechnet damit, dass einige Branchen ihre Produktion über den Winter einstellen werden. Zum Beispiel Blumenläden, Naturkostläden und Bäckereien. Für diese Unternehmen führt die Regierung eine Reihe von Notfallschutzmaßnahmen ein.
Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks weist jedoch darauf hin, dass sich viele Bäckereien infolge der Energiekrise möglicherweise nie wieder erholen werden. „Mehr als zwei Drittel der Bäckereien werden mit Gas beheizt. Sie sind von den steigenden Preisen stark betroffen. Und die Preise für Brot und Brötchen können nicht wesentlich angehoben werden, weil sie einfach nicht mehr gekauft werden. Es gibt Betriebe, die nicht wissen, wie sie die nächsten Monate überstehen sollen“, sagt Johannes Kamm, Geschäftsführer der Bäckerinnung Berlin.
Auch andere energieintensive Industrien sind besonders gefährdet. Dazu gehören die keramische Industrie, die Glasindustrie, Schrottverarbeitungsbetriebe und Papierhersteller.
ENTLASSUNGEN BEI INDUSTRIEUNTERNEHMEN STEHEN BEVOR
Auch die Industriegiganten geraten in die Krise. Hohe Energie- und Gaspreise haben die Produktionskosten in der Stahl- und Aluminiumindustrie in schwindelerregende Höhen getrieben. Aufgrund der steigenden Energiepreise sind einige Unternehmen nun gezwungen, ihre Produktion zu beschränken.
Europas größter Stahlkonzern, ArcelorMittal, wird ab Oktober zwei Werke im Norden des Landes schließen, wie das Unternehmen Anfang September ankündigte. Zum ersten Mal seit der Gründung des Stahlwerks im Hamburger Hafen im Jahr 1969 wird die Rekultivierungsanlage ab Oktober geschlossen. Einer der beiden Hochöfen des Flachstahlwerks in Bremen wird bis auf weiteres abgeschaltet.
Das Stahlwerk von ArcelorMittal in Hamburg verbraucht durchschnittlich eine Terawattstunde Strom und zwei Terawattstunden Gas pro Jahr. Das ist so viel wie die gesamte Stadt Kiel.
„Unter den gegenwärtigen Bedingungen können wir nicht wettbewerbsfähig arbeiten. Deshalb fährt der Konzern die Produktion drastisch zurück“, sagte Werksleiter Uwe Braun der Wochenzeitung Die Zeit.
Aufgrund der Energiekrise führt ein weiteres der größten deutschen Stahlunternehmen, Thyssen Krupp, für einen längeren Zeitraum Kurzarbeit ein. Thyssen Krupp sagte, dass die Produktion für mindestens drei Monate auf verkürzte Arbeitszeiten umgestellt wird. Auch der Aluminiumhersteller Trimet hat die Produktion in seinen Schmelzwerken in Essen, Förde (Nordrhein-Westfalen) und Hamburg gedrosselt. „Bei den derzeitigen Strompreisen können wir die Kosten der Aluminiumproduktion nicht decken, geschweige denn Gewinne erzielen“, teilte das Unternehmen in einer Erklärung mit.
Journalist, Redakteur-Analyst Seit 2005 arbeitet sie in verschiedenen ukrainischen Tages- und Analysepublikationen. Sie bereitet Artikel zu politischen und gesellschaftlich bedeutsamen Themen vor. Schon seit der Schule wusste sie, dass sie Journalistin wird und Schulaufsätze wuchsen allmählich zu urheberrechtlich geschütztem Material.
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